Das Gut Symphoniekonzert
Der Begriff Gut bedeutet laut Duden Besitz,
der einen materiellen oder geistigen Wert darstellt. Ein Symphoniekonzert
muss wohl eher dem geistigen Bereich zugeordnet werden, da materiell
eigentlich nichts vorhanden ist. Vielleicht mag es sich dabei um „sich
verflüchtigende Materie“ handeln, denn ist etwas am Erklingen,
so ist es auch schon am Verklingen. Der Moment oder das Jetzt werden
zur Hauptsache. Bei diesem Geschehen wird unsere Gefühlswelt berührt.
Nach einem Konzert bleibt möglicherweise eine Erinnerung an diese
Gefühle. Und vielleicht stellt sich sogar ein neues Gefühl
ein.
Aus rein ökonomischer Betrachtungsweise macht ein Symphoniekonzert
wenig Sinn, da man es nicht als „produktiv“ einstufen kann.
Allenfalls könnten bezüglich Sinn Eingeständnisse gemacht
werden, wenn man gewillt ist, das Symphoniekonzert als Beitrag an die
Lebensqualität anzuerkennen. Höhere Lebensqualität wird
gelegentlich auch mit Luxus verwechselt, was in wirtschaftlich schweren
Zeiten als Erstes Einschränkungen unterliegt.
Folglich bestehen auch Einschränkungen für die Konzertanbieter,
die als Hersteller oder Produzenten fungieren. Werden Produktionskapazitäten
aufgebaut, die am Bedarf vorbeigehen, ist das ökonomische Desaster
absehbar. Gerade Symphoniekonzerte unterstehen in aller Konsequenz ihren
entsprechenden ökonomischen Zwängen.
Es gilt somit, sich als Anbieter mit den möglichen Abnehmern in
Beziehung zu setzen. Zuallererst müssen Anbieter wissen, was sie
anbieten. Ein Symphoniekonzert kann schwerlich mit dem Spektakel einer
Popveranstaltung oder mit dem Kribbeln beim Anblick einer gefährlichen
Akrobatikdarbietung im Zirkus konkurrieren. Vielmehr müssen die
Ereignisse in den Vordergrund gestellt werden, die musikalische Vorgänge
im Moment des Hörens in der eigenen Innenwelt auslösen können.
Es geht vorab um geistige Ereignisse, so wie eingangs zwischen materiellen
und geistigen Werten unterschieden worden ist. Geistige Ereignisse können
nur schlecht mit marktschreierischen Parolen feilgeboten werden. Ebenso
wenig erreichen schwärmerische Anhäufungen von Gefühlsadjektiven
die gewünschte Wirkung. Denn Geist ist nüchtern. Kann man
sich auf diese Nüchternheit zurückbesinnen, entsteht die Basis,
auf der die entsprechenden Werte überzeugender vermittelt werden.
Aufgrund der dargestellten Vorgaben gestaltet sich effiziente Werbung
für ein Symphoniekonzert als äusserst subtil. Die direkte
Beziehung, das buchstäblich persönliche Ansprechen, erhält
eine zentrale Rolle. Es ist eine Werbung der kleinen Schritte, die auf
die Unterschiedlichkeit eines jeden Individuums abgestimmt sein muss.
Im kleinen Kreis gelingt es besser, in die erforderliche Tiefe vorstossen
zu können. Die Werbung der kleinen Schritte hat zur Devise: Lieber
wenige beglücken als viele unterhalten. Daraus resultiert eine
gewisse Exklusivität.
Exklusivität hat aber auch ihren Preis, was wohl niemand bestreiten
wird. Und hier sehe ich eine mögliche Brücke zwischen anspruchsvoller
Darbietung und zahlreichem Publikum. In Gesellschaft vieler gelangt
man zu einem ganz persönlichen Erlebnis. Im Geistigen gibt es unendlich
viel Platz, zumal wir in einer pluralistischen Gesellschaft leben, in
der jede und jeder unter Geist etwas anderes versteht. Der Vorstoss
in dieses Gebiet eröffnet neue Perspektiven und vor allem neue
Ressourcen, die angezapft werden wollen.
Eine weitere Überlegung bezüglich der Erhaltung oder gar Entfaltung
des Gutes gilt der Herstellungsweise von Symphoniekonzerten. In der
Prioritätenfolge hat das Symphoniekonzert als erstes Ziel zu gelten
und erst in zweiter Linie soll danach gefragt werden, wie das Konzert
hergestellt worden ist. Vorrangig soll also die Qualität des Endproduktes,
sprich Konzert, sein. Gedanken über das Wie der Produktion bleiben
sekundär. Nicht zuletzt erschliessen unterschiedliche Produktionsweisen
geistigen Vorgängen zusätzlichen Raum.
Demzufolge wäre eine Monopolproduktion von Symphoniekonzerten für
die sich eröffnenden Perspektiven eher abträglich. Auf jeden
Fall ist das Gewährenlassen und die Entfaltung von unterschiedlichen
Orchestermodellen sinnvoll und dient letztlich der Sache, nämlich
dem Gut Symphoniekonzert. Kultur lebt unter anderem auch von ihren Minderheiten
und deren Unterschieden.
Abschliessend soll ein Bogen zum eingangs erwähnten geistigen Wert
geschlagen werden. Es ist eine unumgängliche Arbeit, die erforderlichen
Kapazitäten im geistigen Bereich aufzubauen und sich dieses Wertes
bewusst zu sein. Produktionsweise wie Werbung haben sich danach auszurichten.
Wird diese Dimension in den Generierungsprozess integriert, ist dem
Gut Symphoniekonzert der gebührende Raum sicher.
© Daniel Schweizer, August 2004